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Strukturreform im Gesundheitswesen

31. 08. 2021

Sektorübergreifende Versorgungssysteme nur ein Teil der Notwendigkeit

 

Die Rufe nach einer Strukturreform in der Krankenhauslandschaft werden lauter. Und sie kommen aus unterschiedlichen Richtungen – oder will man sagen: Lagern?

 

Eine Abschaffung der starren Strukturen mit Trennung der Finanzierungssysteme der Krankenhäuser und Praxislandschaft ist hier genauso zentral wichtig wie auch die Stabilisierung der Krankenhauslandschaft durch eine zügige Abkehr fast ausschließlicher, variabler Finanzierung in größtenteils fixe Vorhaltefinanzierung. Eine strukturierte Reduzierung der Klinikzahlen in vorwiegend engmaschig, überversorgten Ballungszentren zu Gunsten der Sicherung der Flächenversorgung bietet hier Grundlage.

 

Aktuell hat ein deutscher großer Klinikträger gemeinsam mit der größten Krankenversicherung des Landes ein Positionspapier für eine Krankenhausreform herausgegeben. Ganz nach der Maxime: Man darf nur etwas anders machen, wenn es besser wird, äußert sich Guido Wernert, Geschäftsführer der St. Vincenz-Krankenhäuser Limburg/Diez und in Personalunion des gesellschaftlich verbundenen Evang. Krankenhauses Dierdorf/Selters (KHDS) zu dem vorliegenden Papier.

 

Zur Erinnerung: Bereits zu Beginn des Jahres verwies Guido Wernert in mehreren Interviews auf die dringende Notwendigkeit einer an die Patientenbedürfnis orientierte Bereinigung der Krankenhauslandschaft. Weiter setzt sich der Klinikmanager für eine sektorenübergreifende Gestaltung des Gesundheitswesens ein, denn die Überwindung der Sektorengrenzen wird als wichtiger Schritt gesehen, wenn es darum geht, das Gesundheitssystem leistungs- und zukunftsfähig zu machen. Neben dem effizienten Einsatz aller personellen, technischen und finanziellen Ressourcen sind dadurch auch beste Voraussetzungen für das Vorantreiben der Digitalisierung gegeben. Jüngst wurde mit der Westerwaldgemeinde Ransbach-Baumbach das zukunftsträchtige Projekt „Gesundheitsregion Westerwald“ ins Leben gerufen.  Mit politischen Vertretern der Verbandsgemeinden Selters, Dierdorf, Rengsdorf, Puderbach wie  Ransbach-Baumbach ist die Krankenhausgesellschaft in kooperativer Abstimmung, um Handlungsoptionen des Evangelischen Krankenhaus Dierdorf-Selters gGmbH in Bezug auf Sicherung von Arztsitzen und die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in der Region zu nutzen.

 

Wohnortnahe, ambulante und stationäre medizinische Versorgung sichern

Das sogenannte Positionspapier – vorgelegt vor wenigen Tagen vom  AOK-Bundesverband und Deutschlands größtem Klinikträger – sorgt in Expertenkreisen für Diskussionsbedarf und  wird öffentlich kritisiert. Also was ist davon zu halten? „Unser übergeordnetes Ziel und gleichsam die größte Herausforderung ist die Sicherung einer wohnortnahen, ambulanten und stationären medizinischen Versorgung. Das gilt vor allem in ländlichen Regionen aber inzwischen auch in größeren Städten“, erklärt Guido Wernert. Die grundlegende Herausforderung sei seit Jahren bundesweit der bestehende Haus- und Facharztmangel. Dabei gehe es in keinem Fall darum, die Leistung der niedergelassenen Ärzt:innen schmälern zu wollen – vielmehr leisten nahezu alle erheblich mehr in Form von Engagement und Lebenszeit – als man erwarten darf. Das Regulativ sei die Quantität, denn alle von der Politik eingeleiteten oder angedachten Maßnahmen kommen schlicht zu spät. „Der stabilisierende  Faktor in der medizinischen Versorgung sind vor allem die Kliniken. Sie übernehmen nicht nur die ambulante Notfallversorgung, sondern zunehmend ambulant fachärztliche Leistungen und ambulante Diagnostik“, so Wernert. Folgerichtig ergäben sich daraus Netzwerke von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäuser, die nicht nur eine bedeutende Rolle spielten, sondern strukturiert zu einer guten sektorenübergreifenden Versorgung führten. „Daher befürworten wir nicht nur die weitere Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung, sondern forcieren und professionalisieren diese schon seit Jahren,“ so Wernert, „es kann aber nicht sein, dass eine Strukturreform auf der Basis eines Positionspapiers erfolgt, dass augenscheinlich die zentral wichtige Veränderung der Krankenhauszahlen bzw. die Umkehr zur Vorhaltefinanzierung außen vor lässt. Hier solle eine über den Bund gesteuerte zügige Reduzierung der Krankenhäuser in Ballungszentren erfolgen, um eine flächendeckende Versorgung und die Bedürfnisse der Bevölkerung zu beachten. Das alles spricht das Positionspapier nicht an, was nachdenklich stimmt.

 

Nachvollziehbar ist die Anzahl von Krankenhäusern in Städten häufig viel zu hoch, d. h. diese Kliniken arbeiten unrentabel, werden teilweise mit Steuergeldern kommunaler Träger subventioniert. Hingegen seien kleine Häuser in ländlichen Regionen wichtig für die medizinische Versorgung in der Fläche.

 

Konzepte einzelner geben für eine gute Strukturreform vielleicht Starthilfe, die Weichen hierfür müssen mutige Entscheidungen in der Bundespolitik stellen.

 

Bild zur Meldung: Guido Wernert, Geschäftsführer des St. Vincenz-Krankenhauses, Limburg und in Personalunion des Evang. Krankenhauses Dierdorf/Selters