Krankenhausreform: Ambulantisierung – ist das der richtige Wurf?

24. 10. 2022

Deutschlands Krankenhäuser zählen zu den besten der Welt - das bestreiten auch diejenigen nicht, die immer wieder davon reden, unser Gesundheitssystem sei marode. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant derzeit eine Krankenhaus-Reform, es sei die größte Reform der vergangenen 20 Jahre, sagte der SPD-Politiker jüngst  im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Es gebe in Deutschland viel zu viele Betten und viel zu viele stationäre Behandlungen, so Lauterbach. Angesichts des Fach­kräftemangels in der Pflege gebe es keine Kapazitäten mehr, um dieses ineffiziente System zu bedienen. Lauterbach kritisierte unter anderem, dass sehr viel stationär behandelt würde, was ambulant gemacht werden könnte.

 

Megathema Ambulantisierung

Die Ambulantisierung stationärer Leistungen ist eines der aktuellen Megathemen – vor, während und vor allem nach der Pandemie. Dies zeigt auch der Koalitionsvertrag, welcher im Rahmen der sektorenübergreifenden Versorgung beispielswiese Hybrid-DRGs etablieren will, um die Ambulantisierung von ambulant-sensitiven Krankenhausfällen weiter voranzutreiben.

 

Ziel ist, das Potential für ambulante Operationen in Deutschland stärker auszuschöpfen. Dies wird zu bedeutsamen Veränderungen in der Versorgung führen und eine Erosion der stationären Erlöse der Kliniken mit sich ziehen. „Um die immer älter werdende Gesellschaft zu behandeln benötigen wir dringend die vorhandenen stationären Betten und müssen eher schaue, dass wir damit auskommen“, erklärt Guido Wernert, Geschäftsführer des Evang. Krankenhauses Dierdorf/Selters (KHDS). Eine Schaffung weiterer ambulanter Strukturen mit zusätzlichen ambulanten Finanzierungssystemen für die Krankenhäuser ist für Guido Wernert nur ergänzend wichtig. Weiter ist gerade hierzu als notwendige Basis die Stabilisierung der Krankenhauslandschaft notwendig mit zügiger Abkehr fast ausschließlicher, variabler stationärer Finanzierung in größtenteils fixe Vorhaltefinanzierung. Eine strukturierte Reduzierung der Klinikzahlen in vorwiegend engmaschig, überversorgten Ballungszentren zu Gunsten der Sicherung der Flächenversorgung wäre hier nach Wernerts Meinung eine zukunftsweisende Grundlage einer bedarfsorientierten Klinikstrukturreform, sei aber politisch wohl nicht ansprechbar.

 

Patient:innen nicht vergessen

Demgegenüber gibt es aktuell Planungen hinsichtlich ambulanter Operationszentren mit Beobachtungsstationen von 15 bis 20 Betten betreut durch eine 24-Stunden-Praxis. Diese werden als Zukunftslösung für die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen deklariert.  „Dies geht nach meiner Einschätzung als ambulantes „Low-Level-Krankenhaus ohne Absicherung bei Komplikationen“ vollkommen an den Bedürfnissen der Menschen vorbei, “ erklärt Guido Wernert. Neben nachvollziehbaren ökonomischen Anreizen dürften in erster Linie die Patient:innen nicht vergessen werden. Was passiert, wenn nach der Behandlung Nebenwirkungen wie zum Beispiel Nachblutungen auftreten? Oder wie geht man damit um, wenn die Patient:innen zu wenig mobil sind, um wieder nach Hause zu gehen um sich dort selbst zu versorgen?  Diese Fragen wirft der Klinikmanager mit Blick auf eine sichere, patientenorientierte Versorgung auf. Ländliche Regionen ohne die heutige Gesundheitsversorgung würden Schritt für Schritt von ihren Bewohnern zu Gunsten städtischen Regionen verlassen werden. “Das will niemand und das kann ich nicht das Ziel einer Krankenhausstrukturreform sein“, so Wernert, der als Geschäftsführer des KHDS sowie in Personalunion als Geschäftsführer des St. Vincenz Krankenhauses Limburg für vier Krankenhausstandorte verantwortlich zeichnet, an denen 2.400 Mitarbeitern jährlich 37.000 stationäre und 90.000 ambulante Patienten versorgen werden.

 

Bild zur Meldung: Guido Wernert, Geschäftsführer des Evang. Krankenhauses Dierdorf/Selters