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Prostata-Tag 2022 / Interview mit Dr. med. Alexander Höinghaus, Chefarzt KHDS-Urologie

15. 09. 2022

Urologen- und Patientenverbände riefen bereits 2005 europaweit den 15. September zum Prostata-Tag aus um immer wieder über den wunden Punkt des Mannes zu informieren und Männer über Erkrankungen der Prostata aufzuklären. Jährlich erkranken etwa 60.000 Männer an Prostatakrebs – die häufigste Krebserkrankung und zweithäufigste Krebstodesursache bei Männern. Dr. med. Alexander Höinghaus, einer der beiden Chefärzte der Urologie im Evang. Krankenhaus Dierdorf/Selters (KHDS) beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen rund um die Prostata und die Vorsorgeuntersuchung.

 

Am 15. September ist Europäischer Prostata-Tag – der Tag dient zur Aufklärung und Information. Auf welche Signale sollte „Mann“ achten und wie können Probleme mit der Prostata erkannt werden?

 

Dr. Höinghaus: Grundsätzlich gilt es hier zwischen der gutartigen Prostatavergrößerung und dem Prostatakrebsleiden zu unterscheiden. Tatsächlich ist in der heutigen Zeit, in der gute und breit verfügbare Diagnostik möglich sind, das frühe Erkennen des Prostatakarzinoms möglich, so dass Symptome selten auffallen. Kommt es zu Symptomen sind diese gerne Blutbeimengungen im Urin, erschwertes bis unmögliches Wasserlassen oder auch diffuse Rückenschmerzen oder andere Schmerzen im Bereich des Achsenskelettes (Wirbelsäule, Röhren, Knochen, Becken, etc.). Die Symptome der klassischen gutartigen Vergrößerung der Prostata sind z. B. verminderter Druck beim Urinieren, mehrzeitiges Wasserlassen, nächtliches Aufstehen zum Wasserlassen sowie Restharngefühl. 

 

 

Wer ist besonders gefährdet für Prostataerkrankungen?

 

Dr. Höinghaus: Die gutartige Erkrankung der Prostata im Sinne einer Vergrößerung stellt sich bei jedem Mann früher oder später ein. Insbesondere ab der sechsten Lebensdekade gehört eine mindestens milde Symptomatik (siehe oben) zum ‚guten Ton‘. Im Falle einer bösartigen Veränderung der Prostata ist tatsächlich eine genetische Belastung als Risikofaktor bekannt. Liegt bei einem Verwandten ersten Grades (Vater, Bruder) ein Prostatakrebs vor, sollte hier frühzeitig vorgesorgt werden.

 

Ab wann und wie oft sind Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll?

 

Dr. Höinghaus: Die Vorsorgeuntersuchung bezieht sich primär auf das frühzeitige Erkennen des Prostatakrebsleidens. Es ist hinreichend bekannt, dass Krebsleiden im frühen Stadium nur selten Symptome verursachen. In genau diesen Stadien sind diese Erkrankungen im Regelfall allerdings gut kurativ therapierbar. Mit diesem Ausdruck bezeichnet der Mediziner die Situation, in der er den Patienten noch mit einer anschließenden vollständigen Heilung therapieren kann. Vor diesem Hintergrund sollten Patienten mit dem 40. Lebensjahr einmal im Jahr beim Urologen vorstellig werden, so dass das persönliche Risikoprofil ermittelt und ein individueller Vorsorgeplan erarbeitet werden kann.

 

 

Was passiert, wenn eine Prostataerkrankung erkannt wird? Muss gleich operiert werden?

 

Dr. Höinghaus: Im Falle einer gutartigen Erkrankung der Prostata, welche mit erschwertem Wasserlassen einhergeht, ist die medikamentöse Therapie der erste Schritt der Wahl. Häufig ist bei dem Kardinalsymptom des nächtlichen Wasserlassens auch eine Umstellung der Trinkgewohnheiten im ersten Schritt zielführend. Kommt es allerdings zu einer nicht resthaarnfreien Blasenentleerung ist eine medikamentöse Therapie empfohlen. Ist diese Therapie nicht mehr für eine ausreichende Blasenentleerung hinreichend, sollte eine Reduktion des Prostatagewebes stattfinden. Hier gibt es mehrere Techniken und Möglichkeiten wie dies zu bewerkstelligen ist. Eine allgemeine Empfehlung kann man nicht aussprechen, hier ist eine individuelle Beratung notwendig. Bei einem Prostatakrebsleiden hängt es maßgeblich von der Art und der Qualität des veränderten Prostatagewebes ab. Auch das Patientenalter, Voroperationen und Vorerkrankungen sind hier für die Entscheidung zu einer adäquaten individuellen Therapieempfehlung nötig. Vor diesem Hintergrund ist eine genaue fachurologische Beratung in jedem Einzelfall unabdingbar. Grundsätzlich gilt zu sagen, dass im Falle eines auf die Prostata begrenzten Krebsleidens eine kurative Therapie (siehe oben) anzustreben ist.

 

Wie kann ich vermeiden, Probleme mit der Prostata zu bekommen?

 

Dr. Höinghaus: Grundsätzlich ist das Vermeiden eines Prostatakrebsleidens nur bedingt durch die Umstellung der Lebensumstände machbar. Auch eine gutartige Vergrößerung der Prostata ist nicht direkt beeinflussbar. Regelmäßige fachurologische Kontrollen zum frühzeitigen Erkennen einer eventuellen „Schieflage“ sind zielführend.

 

Gehen Prostatavergrößerung oder Krebs sofort einher mit dem Verlust von Libido und Potenz?

 

Dr. Höinghaus: Es gilt zu bedenken, dass sowohl das Auftreten der gutartigen Prostatavergrößerung als auch das Auftreten eines Prostatakrebsleidens im Regelfall in der gleichen Lebensphase geschehen wie Erst-Manifestation von Potenzstörungen. Vor diesem Hintergrund ist nicht immer sicher zu klären aufgrund welcher Erkrankung, insbesondere bei Vorliegen anderer nicht urologischen Nebenerkrankungen und deren medikamentöser Therapie, sich eine Erektionsstörung einstellt. Sobald es allerdings zu einer Therapie eines Prostatakrebsleidens kommt (zum Beispiel operativ oder durch eine Strahlentherapie) ist mit einer zum Teil nennenswerten Beeinträchtigung der Erektionsfunktion zu rechnen. Hierbei ist aber grundsätzlich die Qualität der Erektion vor der Maßnahme der Bewertungsmaßstab. Da die Libido maßgeblich mit dem Männlichkeitshormon (Testosteron) gekoppelt ist, ist hier die Bestimmung eben dieses Blutwertes zielführend zur Klärung der Frage einer Störung. In einigen Fällen der Therapie eines Prostatakrebsleidens kann es zu einem Entzug dieses Männlichkeitshormons kommen, was dann der Logik folgend auch zu einem Libidoverlust führen kann. Grundsätzlich gehört der Libidoverlust zum Erkrankungsbild des ‘Aging Male‘, welches ein Symptomkomplex aus mehreren Symptombildern beschreibt. Auch hier ist eine einfache urologische Beratung jederzeit möglich und sinnvoll.

 

 

Was ist der aktuelle Stand bei der Diagnose?

 

Dr. Höinghaus: In der aktuellen Leitlinie zur Diagnostik des Prostatakarzinoms findet sich eine deutliche Unterscheidung zu der von dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen vorgesehenen Biopsie der Prostata im konventionellen Sinne. Leitliniengemäß sollte die Diagnostik des Prostatakarzinoms aktuell bildgebungsgestützt erfolgen. Mit diesem Ausdruck meint der Mediziner, dass bei einem erhöhten PSA-Wert und dem klinischen Verdacht des Vorliegens eines Prostatakarzinoms ein multiplanares MRT der Prostata durch einen hierin speziell geschulten Radiologen durchzuführen ist. Erst wenn sich in dieser Untersuchung der Verdacht eines Karzinoms erhärtet, sollte eine Biopsie durchgeführt werden. Diese Biopsie unterscheidet sich von der herkömmlichen Biopsie. Bei der Fusionsbiopsie wird nicht allein ultraschallgestützt gearbeitet, sondern die MRT-Daten mit dem Ultraschallbild gekoppelt. So kann die Punktionsnadel in den verdächtigen Herd navigiert werden. Dies ist ähnlich dem Navigationssystem beim Kraftfahrzeug.

 

Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Höinghaus.

 

Bild zur Meldung: Dr. med. Alexander Höinghaus, Chefarzt der Urologie im KHDS